Angriff in Zofingen: Die SVP im Tiefflug...

Polizeifahrzeuge auf dem BZZ-Areal am 15. Mai 2024. Bild: Zofinger Tagblatt

 

Immer wenn man denkt, dass ein gewisses Niveau wohl nicht mehr unterschritten werden kann, schafft es die SVP trotzdem wieder: Neuster Tiefpunkt diesbezüglich ist die Reaktion auf den grauenhaften Angriff vom Mittwoch auf unbeteiligte Passanten in Zofingen.

 

Um vollends erfassen zu können, auf welch widerwärtige Art und Weise bisher versucht wurde, politisches Kapital aus diesem Angriff zu schlagen, muss man sich zunächst noch einmal die bisher bekannten Fakten vergegenwärtigen:

 

Der Täter vom letzten Mittwoch ist offenbar vor ein paar Tagen mit einem spanischen Pass in die Schweiz eingereist - rechtlich gesehen also als "Tourist"! Dies ist relativ entscheidend, weil auch die politischen Kreise, welche ständig "strengere Grenzkontrollen" fordern, bisher noch nie verlangt haben, die Schweiz müsse ihre Grenzen auch für europäische Touristen dichtmachen - die hiesige Tourismusbranche wäre wohl auch mässig begeistert von so einem Vorschlag...

 

Für einige Verwirrung sorgt v.a. der Umstand, dass der offensichtlich psychisch kranke Mann anschliessend in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hat, welches er kurz darauf wieder zurückgezogen hat. Sagt dieser Umstand irgendetwas über unsere Asylpolitik aus? Nicht im Geringsten! Ein Asylgesuch stellen kann prinzipiell jede(r) - die entschiedende Frage ist, was in der Folge mit diesem Gesuch geschehen wäre. Und in diesem konkreten Fall ist die Antwort darauf glasklar: Die Schweiz anerkennt grundsätzlich keine Asylgesuche von Staatsbürgern aus EU-Ländern, weil es in diesen Ländern schlicht keine anerkennungswürdigen politischen Fluchtgründe gibt! Es kann auch nicht zu einer "vorläufigen Aufnahme" o.ä. kommen, weil die Rückkehr ins Heimatland für spanische Staatsbürger ohne Gefahr für Leib und Leben jederzeit zumutbar und möglich ist. Dass der Täter von Zofingen trotzdem Asyl beantragt hat, zeigt also einzig und alleine: Der Mann muss geistig ziemlich schwerwiegend verwirrt sein!

 

Lässt sich dieser Fall nun aber irgendwie verallgemeinern und lassen sich daraus politische Schlüsse ziehen? Ehrlicherwiese eigentlich nicht, dafür ist er viel zu bizarr - würde man wenigstens meinen...  Aber weit gefehlt: Als erstes wurde SP-Co-Präsident Cédric Wermuth auf den sozialen Medien von Internet-Trollen mit einem Shitstorm eingedeckt, weil er sich über den Angriff in seinem Wohnquartier geschockt gezeigt und den Notfallorganisationen gedankt hatte. Dabei wurde ihm praktisch Mittäterschaft unterstellt, weil er angeblich für "linke Willkommenskultur", "Multikultischeiss" u.ä. persönlich verantwortlich sei. Die Aargauer Zeitung war sich nicht zu schade, derart unterirdische Aussagen auch noch unkommentiert und unwidersprochen zu einem "Artikel" zusammenzustiefeln. Sieht so seriöser Journalismus aus? Und wie genau soll die Einreise eines psychisch kranken "Touristen" mit "Willkommenskultur" und "Multikulti" zusammenhängen? Wer hier in vollem Ernst Verbindungen sieht, zeigt vor allem, dass er von jeglicher Sachkenntnis anscheinend völlig unbeleckt ist...

 

Das ficht die SVP allerdings nicht an, welche die furchtbare Attacke schon ab Donnerstag schamlos ausgenutzt hat, um einmal mehr verbal aus vollen Rohren auf Ausländer zu "feuern": Während die SVP Schweiz sofort mit einem komplett geschmacklosen Messerstecher-Plakat ("Täter ist Asylbewerber!") viral ging, forderte z.B. Nationalrätin Nina Fehr Düsel eine Begrenzung der "Zuwanderung aus dem Asylbereich" und Nationalrat Thomas Aeschi will die Zuwanderung "schlecht-qualifizierter EU-Bürger" stoppen. Beides hätte zwar die Einreise eines spanischen Staatsbürgers in keinem denkbaren Fall unterbinden können, aber egal - das hindert in der SVP anscheinend niemanden daran, all dies direkt mit dem Angriff in Zofingen in Verbindung zu bringen. Wie vollkommen unhaltbar es eigentlich ist, dass die SVP damit alle Ausländer in der Schweiz kollektiv für die Straftat eines Ausländers mit Wohnsitz in ebendiesem Ausland (!) verantwortlich macht, fällt offenbar schon gar niemandem mehr auf - so sehr haben wir uns bereits an das permanente Ausländer-Bashing der SVP gewöhnt...

 

Dass auch kantonale SVP-PolitikerInnen nicht vor geistigen Tiefflügen gefeit sind, konnte man dann spätestens der gestrigen Ausgabe von "Aktuell" auf "Tele M1" entnehmen: Da durfte sich SVP-Grossrätin Nicole Heggli-Boder damit brüsten, die SVP hätte ja schon lange vor "so öppisem" gewarnt. Wovor gewarnt genau? Vor psychisch kranken spanischen Touristen etwa...? Aber nein, es wird doch noch spezifischer, als Frau Heggli-Boder fortfährt. Dass der Mann einen spanischen Pass habe, sei angeblich irrelevant: "Fakt ist, dass es sich um einen dunkelhäutigen Mann handelt, und wir alle wissen, dass Spanier in der Regel nicht dunkelhäutig sind". Aha, das wissen wir also alles... und das soll jetzt was genau bedeuten? Dass uns die SVP doch nicht vor Spaniern sondern schon immer vor "dunkelhäutigen Männern" gewarnt habe? Dass die Tat irgendwie weniger schlimm gewesen wäre, wenn sie von einem "hellhäutigen Mann" begangen worden wäre? Dass die Schweiz "dunkelhäutigen Männern" generell die Einreise verweigern sollte, egal welche Nationalität sie haben? Und dies weil von ihnen grundsätzlich welche allgemeine Gefahr ausgehen soll, bitte sehr? Das alles sagt uns die SVP-Grossrätin wohlweislich nicht, weil sie vermutlich ganz genau weiss, dass sie sich dann wegen klar rassistischen Aussagen strafbar machen würde...

 

Und die Lösung? Gemäss Frau Heggli-Boder "strengere Grenzkontrollen", "genauer äneluege, wen man aufnimmt" und "konsequent ausschaffen" - die bekannte SVP-Leier also, die hier allerdings komplett ad absurdum geführt wird, wenn man sich vor Augen hält, dass man diese Massnahmen ja auch auf sämtliche europäischen Touristen (!) anwenden müsste, wenn man die Tat von Zofingen hätte verhindern wollen - wobei nein, gemäss SVP-Lesart müsste man das ja nur bei "dunkelhäutigen" Touristen machen... Und was schliessen wir daraus? Entweder hat Frau Heggli-Boder keinen Schimmer davon, was für einen Unsinn sie da eigentlich daherredet, oder sie weiss es doch, und versucht, ihre Wählerschaft gezielt gegen "dunkelhäutige" Menschen aufzuhetzen - man weiss gar nicht, was man bei einer gewählten Volksvertreterin schlimmer finden würde...

 

Fazit: Offenbar ist gewissen PolitikerInnen der wählerstärksten Schweizer Partei der moralische Kompass inzwischen derat abhanden gekommen, dass sie sich nicht entblöden, sogar in Fällen die nichts, aber auch gar nichts mit "Ausländerpolitik" zu tun haben, eine völlig an den Haaren herbeigezogene Sippenhaftung "der Linken" und der Ausländer im Allgemeinen herbeizuschwadronieren. Dass man dabei die unschuldigen Opfer in Zofingen rücksichtslos instrumentalisiert, um Wasser auf die eigenen politischen Mühlen zu leiten, ist offenbar Wurst - Hauptsache es gibt Wählerstimmen! Zum Glück hat die Aargauer Stimmbevölkerung diesen Herbst die Möglichkeit, an der Wahlurne zum Ausdruck zu bringen, ob sie ein derartiges Vorgehen goutiert oder nicht...

 

Christian Nöthiger, Co-Präsident SP Zofingen

Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Mami (Sonntag, 19 Mai 2024 08:36)

    Ihr seid geisteskrank UND bösartig.

  • #2

    Christian Nöthiger (Sonntag, 19 Mai 2024 09:31)

    "Geisteskrank" ist gemäss den Ermittlungsbehörden dieser Täter - und "bösartig" ist es v.a., diesem Umstand einfach zu ignorieren, um politischen Nutzen aus diesem grässlichen Vorfall zu ziehen... Als SP veurteilen wir dieses Vorgehen auf Schärfste, und scheuen uns auch nicht, dabei mit unserem Namen hinzustehen, liebe "Mami"...

  • #3

    Beat Kaufmann (Sonntag, 19 Mai 2024 23:38)

    Ich verstehe alle Eure Überlegungen. Aber eine Frage: Wurde dieser Spanier in Spanien sozialisiert oder in welcher Kultur/Religion ist er geboren und aufgewachsen? Die ersten 18 Lebensjahre und die Umgebung, in der man*frau sie verbringt, sind ja erfahrungsgemäss auch nicht eben unbedeutend.

  • #4

    Christian Nöthiger (Montag, 20 Mai 2024 00:53)

    Bekannt ist gemäss Ermittlungsbehörden einzig die psychische Erkrankung des Täters und dass kein terroristischer Hintergrund vorliegt. Und genau deshalb spielt es auch absolut keine Rolle, wo der Täter sozialisiert wurde: Es gibt keine, aber wirklich keine Region oder Kultur auf der Welt, wo Kinder und Jugendliche routinemässig zu geisteskranken Messerstechern herangezogen werden - abgesehen davon, dass eine psychische Erkrankung grundsätzlich sowieso nicht gezielt "anerziehbar" ist. Folglich laufen auch sämtliche Spekulationen und Gerüchte darüber, wo dieser Täter ursprünglich geboren worden sein könnte, am Ende völlig ins Leere: Man wird letztlich wohl akzeptieren müssen, dass diese Tat weder durch irgendwelche politischen Versäumnisse noch durch "kulturelle Hintergründe" erklärt werden kann. Dass dies in einer Partei wie der SVP besonders schwerfällt, welche ihr politisches Kapital nun schon seit Jahrzehnten daraus bezieht, Ausländer, Minderheiten, Linke u.a. kolllektiv als "Schuldige" für alles Mögliche zu verunglimpfen, was in der Welt so schiefläuft, ist dabei wenig überraschend...

  • #5

    Tom (Freitag, 24 Mai 2024 16:24)

    Wenn es dann nicht wichtig ist, wo der Täter aufgewachsen ist, wieso steht es dann nirgends?

  • #6

    Christian Nöthiger (Freitag, 24 Mai 2024 16:55)

    Die simple Antwort darauf wäre, es steht nirgends, WEIL es für die Tat nicht wichtig ist... Aber der eigentliche Grund ist natürlich, dass die ursprünglich angekündigte Pressekonferenz der Polizei bisher nicht stattgefunden hat. Wir wissen offiziell nicht nur nichts Weiteres über den Täter, sondern auch nichts zu den bisher unbekannten Opfern und zum ganzen Tathergang. Möglicherweise wird das alles aber auch erst im Zusammenhang mit dem Strafprozess bekannt...